Die teuerste Stadt der US-Westküste droht, ihre Seele zu verlieren
Nirgendwo in den USA ist Wohnen so teuer wie in San Francisco. Die monatliche Durchschnittsmiete für das Einraum-Appartement liegt bei 3530 Dollar und ist damit innerhalb eines Jahres um fast 14 Prozent gestiegen. Die Stadt ist praktisch von der Tech-Branche übernommen worden: Mit deren Wachstum kommen immer mehr Angestellte, die irgendwo wohnen müssen. Für die Mittelklasse ist hier kein Platz mehr.
Jake Harris, 37jähriger Grundschullehrer, hat viele Jahre lang im Mission District, nah bei seiner Schule gewohnt. Als sein Vermieter ihm wegen Eigenbedarf kündigte, versuchten Harris und seine Frau, in San Francisco eine neue Bleibe zu finden. Aber es war nicht möglich. Nicht für ein Lehrergehalt. So zogen sie nach Berkeley auf der anderen Seite der Bucht, wo sie für 2300 Dollar ein Einraum-Appartment fanden. Jeden Morgen steht Jake Harris nun um 5:15 Uhr auf, um eine Stunde mit dem Zug nach San Francisco rüber zu fahren. “Eigentlich bin ich in einem Alter, wo man es zu etwas gebracht haben sollte. Du bist zur Schule gegangen, hast Karriere gemacht, aber du hast nichts vorzuweisen.”, stellt Harris fest.
Lita Blanc, die Vorsitzende des Lehrerverbandes “United Educators of San Francisco” bestätigt, dass Jake Harris kein Einzelfall ist: “Ich höre jeden Tag von einem Lehrer, der weggezogen ist. Und der Grund Nummer 1 sind die horrenden Lebenshaltungskosten.”
Künstler werden vertrieben
Nicht nur die Lehrer, auch die Künstler ziehen weg. Die, die San Francisco einst zu einem Ort für Gegenkultur gemacht haben. “Wir haben eine Umfrage gemacht”, berichtet Kate Patterson von der städtischen Kunstkommission, “Von den fast 600 lokalen Künstlern, die teilgenommen haben, sind 70 Prozent aus ihrem Studio und/oder ihrer Wohnung vertrieben worden.” Sie gehen in die East Bay, nach Oakland oder gleich nach Los Angeles.
Stattdessen kommen immer mehr Software-Entwickler, Social Media Strategen und Datenanalysten in die Stadt. Dieser Personalwechsel aber verändert die Atmosphäre. Den Tech-Mitarbeitern sagt man nach, dass sie zwar viel verdienen, sich aber selten betrinken, alle das gleiche T-shirt tragen und sogar nachts noch arbeiten.
Kunst und Musik sind tot in dieser Stadt, sagen manche.
San Francisco, einst die Hauptstadt des „Flower Power“, droht zu einer Schlafstadt zu werden für Leute, die im Silicon Valley arbeiten, aber lieber in der City wohnen. Und die Konzerne tun alles, um ihren Mitarbeitern die Pendelei erträglich zu machen. Facebook, Google, Apple & Co bezahlen die Busse, die mit Wi-Fi an Bord jeden Morgen eine Stunde ins Valley fahren und abends wieder zurück in die Stadt. Man schätzt, dass 35 000 Tech-Angestellte auf diese Weise pendeln.
Kein Appartment unter einer Million Dollar
Peter Vogt ist einer von ihnen. Er hat für ebay und Visa im Valley gearbeitet und mit seinem Partner in San Francisco gewohnt. 2011 kauften sie ihr Appartment im Stadtteil Soma (South of Market Street). Für 950 000 Dollar. Damals war Soma ein öder Stadtteil voller verlassener Lagerhäuser. Doch dann zogen die Headquarter von Twitter, Pinterest und Uber auf der Market Street ein, seither boomt die Gegend. Peter Vogt, der gerade einen neuen Job in Madrid angenommen hat, will nun nach vier Jahren sein Appartment verkaufen. Für 1,7 Millionen Dollar. “Das ist wirklich unverschämt, ich weiß. Aber das ist der Preis, auf den unsere Wohnung im Moment geschätzt wird.”, so Vogt. "Und ich habe gehört, dass viele Immobilien sogar für 30 Prozent über dem Preis weggehen, oft komplett cash bezahlt."
San Francisco kommt einfach nicht hinterher mit dem Wohnungsbau. Zwar wurden gerade erst 500 Millionen Dollar Fördergeld per Gesetz frei gegeben, um 3300 bezahlbare Wohnungen zu bauen. Doch es ist ein Problem, dass die Stadt auf drei Seiten von Wasser umgeben ist und dass viele Häuser aufgrund der Erdbeben-Sicherheitsbestimmungen nicht über eine bestimmte Höhe hinaus gebaut werden dürfen. Diese Stadt kann nicht einfach weiter wachsen wie New York oder Berlin. San Francisco ist berühmt für seine Größe von 7 mal 7 Meilen, aber auch beschränkt dadurch.
Airbnb als Sündenbock
Der Fernsehsender CBS berichtete kürzlich undercover aus einem Hostel, in dem ein Stockbett im Viermann-Zimmer 1800 Dollar pro Monat kostet - vermittelt über Airbnb. Mindestaufenthalt: 30 Nächte. Auf diesem Auge schien die Stadt bisher eigenartig blind.
Doch jetzt hat die Stadtverwaltung vorgerechnet, dass 15 Prozent aller freien Häuser und Wohnungen vom offiziellen Mietmarkt verschwunden sind - man findet sie unter anderem wieder auf dem Portal von Airbnb, dem Marktplatz für Privatunterkünfte, der aktuell auf einen Wert von 25 Milliarden Dollar geschätzt wird.
Die Wut vieler in San Francisco wächst. Deshalb wird bei den Kommunalwahlen im November auch über diesen Vorschlag abgestimmt: Wer seine Wohnung oder sein Haus bei Airbnb vermietet, muss sich bei der Stadt registrieren lassen. Wer es nicht tut, wird bestraft.
Dieser Artikel ist bei dpa erschienen und u.a. von FOCUS ONLINE übernommen worden:
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