Social Media-Fans aus der ganzen Welt treffen sich in San Francisco: Zum zweiten Periscope Summit. Eine Mischung aus Tech-Konferenz, Sommercamp und Klassentreffen soll es sein, veranstaltet von den aktiven Periscope-Pionieren selbst. Etwa 900 Livestreamer, Journalisten, Marketingleute und Tech-Experten reden über die aktuell schnellstwachsende Social Media-Plattform und - filmen sich dabei selbst.
Scopen, wie die "Early Adopter" es nennen, hat Suchtpotential. Beso Sani (@Besosani) aus Los Angeles sagt: "Ich mache es immerzu."
Ich interviewe Beso mit meiner Kamera "on Tape", während sie live in ihr iPhone periscopt. Meta-Ebene. Old fashioned TV trifft auf Livestream-Hype. "Manche der Leute, die mir zuschauen, kenne ich, das sind meine Freunde", zeigt mir Beso, "die anderen sind alle Fremde, die ich aber kennenlernen möchte." Es sind über 1000 Menschen in diesem Moment, die Beso folgen. Beim Live-Report von einem Event, das in genau diesem Moment auch 158 andere Leute in Echtzeit senden. Denn es ist Periscope Summit.
Die Angst des Live-Streamers vorm Senden
Was mich überrascht: Viele Periscoper geben freimütig zu, dass sie immer noch Lampenfieber haben, wenn sie auf Sendung gehen. "Oh Gott, ja, jedesmal.", sagt Evie Totty (@webevie), Programmiererin aus Florida und Persicoperin der ersten Stunde. "Ich habe schon über 300 Scopes gemacht und trotzdem muss ich jedesmal tief durchatmen, wenn ich diesen Knopf drücke. Du fragst Dich immer, ob überhaupt irgendjemand zusehen wird, ob es den Leuten gefällt, was du machst. Aber irgendwie kriege ich es dann hin.”
Das neue Fernsehen?
Amrit Singh (@MrASingh), Designer und Coach, ist aus London angereist. Diese App hat mein Leben verändert, sagt er, ich bin jeden Tag live. Amrit hat schon über 9000 Follower und behauptet genau wie die "Huffington Post" kürzlich: Livestreaming wird "the new TV". “Was die Leute heute sehen wollen, ist das ungeschnittene Leben, die rohe Emotion. Etwas, das eben nicht bearbeitet wurde, wir wollen sehen und hören, was die Leute wirklich denken.”, so Amrit.
Periscope ist noch nicht mal ein Jahr alt: Der Service wurde von Twitter im Januar 2015 gekauft, für angeblich 100 Millionen Dollar; das war noch vor dem offiziellen Launch im März. Auch wenn Periscope nicht die erste Live-Video-Streaming-App ist (das war nämlich Meerkat mit heute gerade mal 300 000 Nutzern), so doch die, die am schnellsten massentauglich wurde und schon vier Monate nach dem Start zehn Millionen Nutzer hatte. Für das schwächelnde Twitter könnte die rasend wachsende Video-App zum Rettungsanker werden. Apple zeichnete Periscope im Dezember als seine "App of the Year" aus.
Fenster in die Welt
Periscope bewirbt seinen Service als Fenster in das Leben der anderen, durch das man die Welt mit den Augen auch von weit entfernt lebenden Menschen sehen kann. Jeder wird zum Sender: einfach die App downloaden, ein Profil anlegen und losfilmen, indem man den “Jetzt senden”-Knopf drückt - das Streaming funktioniert selbsterklärend und bis zu 5000 Menschen überall auf der Welt können zuschauen. Bonus: Die Echtzeit-Interaktion zwischen dem Live-Streamer und seinen Zuschauern, die per Text-Message Fragen stellen können oder durch Herzchen zeigen, dass ihnen die Videoübertragung gefällt.
Nach 24 h ist alles weg
Seit dieser Woche werden die Videos in der Mutter-App von Twitter voll integriert und tauchen direkt in der Timeline des Absenders auf. 24 Stunden lang kann sie dort jeder per Autoplay sehen, der Umweg über Periscope fällt weg. Doch genau diese begrenzte Haltbarkeit ihrer Videos stört viele Nutzer noch sehr. Nach nur einem Tag werden sie unwiderbringlich vom Server gelöscht. Bei einer Fragestunde auf dem Periscope-Summit macht Kayvon Beykpour (@kayvz), Co-Gründer der App, den Fans hier zumindest eine Tür auf: “Wir wollten immer, dass unsere App frisch ist, also nur Sachen zeigen, die gerade jetzt passieren oder eben vor ganz kurzer Zeit. Aber ihr beweist uns jeden Tag, dass es Videos gibt, die man erhalten sollte. Wir finden, der Livestreamer selbst sollte darüber entscheiden können. Das wäre natürlich ein fundamentaler Wechsel, aber ja, daran arbeiten wir." Für diese Aussicht gibts viel Applaus von der Community.
Aber wer sendet da eigentlich?
Nicht nur Normalos filmen ihr oft langweiliges Leben. Auch US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump hat während seiner Kampagne bereits vier mal periscopt. Andere wannabe-Kandidaten werden nachziehen - der amerikanische Wahlkampf ist mittlerweile fest in der Hand von Social Media. Die britische Kirche hat einen Deal mit Periscope und streamt landesweit Gottesdienste ins Netz. In Deutschland sendet Jan Böhmermann regelmäßig seine Hashtag-Redaktionskonferenzen via Periscope. Und BILD.de kürzlich hat einen ganzen Tag lang seinen Redaktionsablauf gestreamt und dabei nach eigenen Angaben 4000 neue Follower auf der Plattform gewonnen, die dem Bild-Treiben insgesamt 1923 Stunden live zugeschaut haben.
Eine neue Marketing-Plattform?
Und auch die Wirtschaft entdeckt das Live-Streamen: Die ersten US-Marken (Bsp. Spotify, Nestlé, SanDisk, General Electric, Adidas) promoten Events live oder bezahlen Star-“Scoper" mit zehntausenden Followern für Videobesuche im Firmenhauptquartier. Das US-Magazin Forbes nennt drei Gründe, warum Marketing jetzt Live-Video braucht.
Facebook kann jetzt auch Live Video
Der Livestreaming-Markt also ist heiß und auch Facebook schläft nicht: Seit Dezember bietet die Plattform eine Live-Video-Funktion, die mehr Reichweiten-Potential hat als alle anderen zusammen. Denn Facebook hat 500 Millionen Nutzer, ein Vielfaches also von Twitter. Und Video ist Social Medias King. Auch bei Facebook werden die Freunde über das Live-Video informiert, auch hier können sie kommentieren. Vorteil: das Video bleibt für immer in der Timeline des Senders und wird nicht wie bei Periscope nach 24 Stunden gelöscht.
Drei Tipps für's Periscopen
Joel Comm (@joelcomm), der sich selbst als Futurist und "Social Influencer" vorstellt und dem manchmal mehr als Hunderttausend beim Live Streaming zuschauen, hat in San Francisco noch drei Tipps für alle Periscoper: 1. Sei original: Kopiere niemanden. 2. Sei authentisch: Keine teuren Kameras! Alles, was Du brauchst, sind dein Smartphone und ein Selfiestick. Und schließlich 3. Sei beständig: Tu es so oft wie möglich.
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